Hamers Theorien über die Krebskrankheit – erklärt von
Merlin Parpaing
Heute wird Merlin Parpaing
in einem Interview über das Verständnis und den Heilungsprozess der
Krebskrankheit, wie sie der Ex-Mediziner Ryke Geerd Hamer versteht, berichten.
Zoélie F.:
Guten Tag, Merlin. Kannst du uns sagen, wer dieser Hamer ist?
Merlin Parpaing: Guten Tag, Zoélie. Gewiss! Ryke Geerd Hamer ist ein Ex-Mediziner aus
Deutschland, der 1981 eine neue Zugangsweise zum Krebs vorgeschlagen hat: Revolutionär
und hoffnungsvoll für die einen, falsch und gefährlich für die anderen. Im Lauf
der Zeit wurde er zum Objekt mehrerer gerichtlicher Verurteilungen in
Deutschland, Österreich und Frankreich. Sein Arztstatus wurde ihm endgültig
entzogen, aber von Norwegen aus setzt er die Verbreitung seiner Ideen mittels
Büchern und Internetseiten in mehreren Sprachen fort. Seine Theorien wurden von
zahlreichen „Therapeuten“, einschließlich Ärzten, aufgenommen und mehr oder
minder überarbeitet.
Zoélie F.: Ich habe gelesen, dass dieser Hamer 1962 Arzt wurde und sich 1972 in innerer
Medizin spezialisiert hat. Bekannt ist, dass er zu jener Zeit bereits Schulden
hatte. Im Jahr 1976, noch höher verschuldet, ist er mit seiner Familie nach
Italien gezogen, um seinen Gläubigern zu entgehen.
Merlin Parpaing: Und dort wurde 1978 sein Sohn Dirk von einer Kugel tödlich verletzt.
Einige Monate nach dem Tod seines Sohnes erkrankte er am Hodenkrebs, der
operiert wurde. Hamer hat dann eine Verbindung zwischen dem Verlust seines
Sohnes und seiner Krankheit hergestellt.
Er ist überzeugt, dass das
eine die Ursache für das andere ist. Er stellt eine Theorie über die Ursache
der Krebserkrankung und den Gesundungsprozess auf. Er versichert, dass er seine
Theorie auf zahlreichen Beobachtungen aufgebaut habe, aus denen er 5 Gesetze
ableitete.
Zoélie F.: Prüfen wir diese 5 Gesetze und ihre Inhalte. Betrachten wir zunächst
sein „Ehernes Gesetz des Krebses“.
Merlin Parpaing: Nach Hamer entsteht jeder Krebs, bzw. - allgemeiner -jede Krankheit,
durch einen unerwarteten psychischen Schock, einen Schock, der Mensch und Tier
‚auf dem falschen Fuß’ erwische, einen niederschmetternden, brutalen Schock :
das „DHS“ = Dirk-Hamer-Syndrom.
Die drei Ebenen des
Organismus - die psychische, die geistige und die organische – seien
miteinander verbunden. Das „DHS“-Syndrom habe somit einen Einfluss auf jede der
drei Ebenen. Die psychologische Ebene wirke auf eine bestimmte Hirnzone. Auf
der Ebene des Gehirns sei der Einschlag des Schocks nach Hamer im Scanner
sichtbar und wird „Hamer-Bereich“ genannt. Was den Organismus betrifft, solle
der Krebs (oder jede andere Krankheit) sich auf jenem Organ entwickeln, das von
dem Hirnbereich kontrolliert wird, wo sich angeblich der „Hamer-Bereich“
befindet.
Zoélie F.: Das ist etwas schwer verständlich.
Merlin Parpaing: Illustrieren wir das etwas konkreter. In der Natur nutzen Tiere oft
ihre Urin-Reserve, um ihr Territorium zu markieren. Bei einem menschlichen
Wesen wird ein ‚biologischer Konflikt um das Territorium’ (z.B. mein Kollege
belegt meinen Schreibtisch, mein Nachbar parkt vor meiner Türe, meine Eltern
haben mir einen kleinen Bruder aufgedrängt etc.) ausgedrückt durch eine
Pathologie, die dem „Pipi“ (Bettnässen, Blasenkatarrh, Harnblasenkrebs)
entspricht.
Nach Hamer sollen die
Hirntumoren nicht existieren; es soll sich vielmehr um die „Hamer-Bereiche“
handeln.
Seiner Behauptung nach gibt
es die Metastasen, wie sie von der
wissenschaftlichen Medizin beschrieben werden, nicht. Hamer leugnet die
Möglichkeit ab, dass Krebszellen im Körper sich bewegen und weitere
Krebszentren bilden können. Für ihn ist jede Einnistung eines Krebses im Körper
gebunden an einen „Hamer-Bereich“ in einer speziellen Zone des Gehirns, in Verbindung
mit einem biologischen Konflikt. So würde eine Krebsdiagnose einen
„Diagnose-Konflikt“ hervorrufen, und was man „pulmonäre Metastasen“ nennt,
würde von einem „Todesangst-Konflikt“ herrühren.
Zoélie F.: Somit ist die wichtigste Idee dieses ‚Ehernen Gesetzes der
Krebserkrankung’ die, dass die Krebsbildung durch einen intensiven Stress
ausgelöst sei. Nun zeigen aber Studien, die sich mit Menschen befassen, welche
großem Stress ausgesetzt sind (z.B. ein krebskrankes Kind zu haben, den Tod
eines Kindes zu bewältigen u.ä.), dass deren Risiko, an einem Krebs zu sterben, vergleichbar ist mit dem im Rest der Bevölkerung.
Anders gesagt: Hamers Idee
vom Stress, der Krebs errege, stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein. Der
Krebs kann also in Wirklichkeit mehrere Ursachen haben – und unter den
Risikofaktoren finden sich an erster Stelle Tabak- und Alkoholkonsum genau so wie geringe physische Übungen.
Merlin Parpaing: Ja, aber die Mehrheit der Leute stellen gerne eine Verbindung zwischen
der Krankheit und besonderen, vorausgehenden
stressauslösenden Ereignissen her. Im übrigen hat Hamer eine Art
Kartographie vorgeschlagen, die Konflikt und Krebs miteinander in Verbindung
bringt. So indiziert Hamer für jede Krebsdiagnose den Konflikt-Typ, den er für
die Ursache der Krankheit hält.
Zoélie F.: Und es ist ja leicht, im Leben einer Person schwerwiegende Ereignisse
zu finden, die einem Konfliktfall nahekommen. Solche Ereignisse als eine
schwere Krankheit auslösende Faktoren zu bestimmen, trägt dazu bei, diesen
Ereignissen Bedeutung zuzumessen, oder?
Merlin Parpaing: Na, ganz gewiss! Um zu einem
der von mir aufgeführten Beispiele zurückzukehren: Stellen wir uns vor, dass Du
einem Jemand, der sich darüber beklagt, dass ein unordentlicher Kollege seinen
Schreibtisch belege, eröffnest, dass dieser Kollege riskiere, durch seine
Frechheit bei ihm einen Krebs auszulösen... Meistens lacht dieser Jemand Dich
aus und hält Dich für einen Scharlatan. Stell’ Dir nun vor, dass sich eben
diese Person, erschüttert durch eine kürzlich erfolgte Krebsdiagnose, sich an
Dich wendet; und Du erläuterst ihm, dass in Anbetracht des befallenen Organs
und der betroffenen biologischen Funktion seine Krankheit zweifellos aus einem
biologischen Konflikt in Form eines Übergriffs in das ‚Territorium’ herrühre. Du
bittest diese Person, alles, was sie vor der Krankheitsdiagnose in Bezug auf
diese Thematik erlebt hat, aufzuzählen. Gleich, was die Person erwähnt, ob die
Vereinnahmung seines Schreibtisches durch den Kollegen, das Belegen des
Parkplatzes durch seinen Nachbarn oder einen Einbruchdiebstahl: Du wirst diese
Person davon überzeugen können, dass dies die Ursache der Krebserkrankung sei.
Zoélie F.:
Das lässt mich an das cold reading denken,
eine von Leuten, die sich Medium nennen, und von Sehern bzw. Seherinnen
angewandt wird, um glauben zu machen, dass sie gewisse Kenntnisse über ihre
Gesprächspartner haben...
Merlin Parpaing: Exakt! Man muss dem Gesprächspartner zuerst einmal die Würmer aus der
Nase ziehen und sich danach dessen bedienen, was er gesagt hat. In jedem Fall kannst
Du gerne glauben, dass von dem Moment an, wo ein Ereignis als Ursache der
Krebserkrankung bestimmt wurde, dieses Ereignis vom Erkrankten ganz und gar
nicht als banal oder harmlos wahrgenommen wird.
Zoélie F.: Ich glaube Dir. Darüber hinaus brauchst du gerade mal einen Schmöker,
der die Krankheiten und die entsprechenden Konflikte auflistet – und schon kannst
du dich als Therapeut niederlassen. Es genügt, dass die Klienten ihre Diagnose
angeben – und das Geschäft brummt!
Merlin Parpaing: Ja, so läuft’s. Man muss nur dreist und fest genug versichern, dass
die Krankheitsursache der betreffende Konflikt sei – und schon hast Du die Aura
eines Therapeuten, der die Materie so sehr beherrscht, dass kaum jemand es
wagen wird, Dein Wort in Frage zu stellen.
Zoélie F.: Dreistigkeit, wie üblich... Eine weitere, wichtige Behauptung dieses
berüchtigten „Ehernen Gesetzes vom Krebs“ ist, dass die Metastasen, so wie sie
von der wissenschaftlichen Medizin definiert sind, angeblich nicht existieren.
Nach Hamer kann der unterschiedliche Krebsbefall im Körper ein und derselben
Person nicht das Resultat der Verbreitung des anfänglichen
Tumors sein. Jeder Krebs ist seiner Ansicht nach das Ergebnis einen
spezifischen Konflikts.
Merlin Parpaing: Das ist tatsächlich die Behauptung von Hamer und einigen seiner
Jünger. Nach ihnen können Krebszellen nicht innerhalb des Organismus wandern
und weitere Organe befallen.
Zoélie F.: Tatsächlich weiß man jedoch, dass bestimmte Krebszellen sich vom
Ursprungstumor lösen können, über das Blut oder die Lymphen sich ausbreiten und
andere Organe befallen. Stellen wir uns den Fall einer Person vor, deren Niere
von einem Krebs (als Primär-Tumor) angegriffen wurde. Nun werden
Krebsbeschädigungen in der Lunge festgestellt. Wenn dieser Patient sich an
Hamer wendet oder an einen seiner Schüler, wird er nur hören, dass dieser
Lungenkrebs ein neuer Krebs sei, der aus einem „Todesangst-Konflikt“ entstanden
sei. Wenn man aber einen Abstrich von den Verletzungen in der Lunge nimmt und
im hierfür geeigneten Labor analysieren lässt, muss der Patient sich auf ganz
andere Schlüsse gefasst machen. Entweder haben die untersuchten Zellen die
Charakteristiken von typischen Lungen-Zellen. Dann handelt es sich tatsächlich
um einen neuen Krebs, einen primären Lungenkrebs; oder die untersuchten Zellen
haben die ähnlichen Charaktere wie die Nierenzellen: Dann handelt es sich um
Metastasen (sekundäre Tumoren). Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein
sekundärer Krebs ist sehr wohl nicht mit einem zweiten Krebs zu vergleichen.
Merlin Parpaing: Es stimmt, dass die mikroskopische Beobachtung der Krebszellen er
erlaubt, die Existenz von Metastasen, wie sie die wissenschaftliche Medizin
definiert, zu bestätigen.
Zoélie F.: Einverstanden. Da nun die Metastasen ein Beleg für die Ausbreitung der
Krankheit oder – anders ausgedrückt – der Verschlimmerung sind, ist die
Leugnung von Metastasen sozusagen eine Leugnung der Schwere der Krebskrankheit.
Ich bin versucht zu sagen, dass Hamer fast ein Negationist genannt werden
könnte. Was denkst Du darüber?
Merlin Parpaing: Du hast recht, Zoélie, der Begriff des Negationismus lässt sich gut
auf Hamer anwenden. Er bestreitet auch die Gefährlichkeit der pathogenen
Mikroben, wie wir gleich sehen werden. Hamer hat auch ein Buch über Aids
geschrieben, in dem er die Existenz des HIV-Virus bestreitet und die Krankheit
auf eine einfache Allergie reduziert. Hamer ist auch ein unerbittlicher Gegner
von Impfungen. Er ist außerdem bekannt
für seine antisemitischen Äußerungen.
Zoélie F.: Ein charmanter Zeitgenosse. Der Erfolg seiner Theorien erklärt sich
zum Teil aus dem Mangel an wissenschaftlicher Kenntnisse der Leute. Aber sicher
ist seine Leugnung in Bezug auf die Gefährlichkeit des Krebses auch eine Widerspiegelung der
Verweigerungshaltung von Personen, die plötzlich mit dieser Krankheit
konfrontiert werden. Sprechen wir nun vom zweiten Gesetz Hamers, dem „Gesetz der
zwei Phasen“...
Merlin Parpaing: Hamer behauptet, dass das sympathetische Nervensystem die Oberhand
behält, solange der Konflikt ‚aktiv’ ist. Der Kranke würde weniger essen,
weniger schlafen, er wäre oft sehr aktiv und seine Gliedmaßen wären kalt. Das
nennt Hamer die „kalte Phase“ der Krankheit. Diese Phase könne, wenn sie zu
lange andauere, den Tod durch Erschöpfung nach sich ziehen.
Sobald der Konflikt gelöst
ist – so Hamer – verfällt das Subjekt in
die ‚Vagotonie’ (Leere) (Vorherrschaft des parasympathischen Nervensystems):
Schlaf, Appetit, Hitze. Das sei die „warme Phase“ der Krankheit, für Hamer die
Phase der Heilung. Das Risiko dieser Phase sei die „epileptische Krise“, welche
den Tod herbeiführen könne. Er rät zur Vermeidung von Risiken das Auflegen von
eiskalten Kompressen an den Kopf und eine Kortison-Verschreibung. Die beiden
Phasen zusammen bilden ein „SBS“ (= Sinnvolles Biologisches Sonderprogramm),
und das Ergebnis sei eine Rückkehr zur „Normotonie“ (= ausgeglichenes
Funktionieren der Nervensystems).
Zoélie F.: Wenn man demnach Hamer folgen wollte, genügte lediglich eine
„Konflikt-Lösung“, um einen natürlichen Selbstheilungsprozess der
Krebserkrankung auszulösen.
Merlin Parpaing: Das behauptet er tatsächlich. Und deshalb haben Patienten, die Hamer
oder einem seiner Jünger vertrauten, auf die konventionelle medizinische
Behandlung verzichtet. Die Theorien Hamers
wollen keine ergänzende
Behandlung zur klassischen Medizin sein, sondern eine ganz eigene Therapie,
deren Ziel es ist, den angeblich ursächlich zugrundeliegenden Konflikt zu identifizieren
und zu lösen.
Zoélie F.: eine Internet-Recherche hat mir gezeigt, dass der Begriff „Vagotonie“ hauptsächlich in der medizinischen
Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in der Kardiologie
auftaucht . Heute werden die Begriffe Vagotonie und Sympathicotonie vor vor
allem von Hamer gebraucht.
Merlin Parpaing: Ja, Hamer hat diesen Begriffen einen zweiten Frühling beschert!
Zoélie F.: Was Ärzte ‚Krankheiten’ nennen ist nach Ansicht Hamers nichts anderes
als eine der beiden Phasen des „SBS“. Aber er hat niemals bewiesen, dass diese
beiden Phasen tatsächlich für alle Krankheiten bestehen. Die Empfindung von
kalt oder warm an Händen oder Füßen kann z.B. innerhalb eines Tages durchaus
variieren, sowohl für eine Person in guter Gesundheit wie auch für jemanden mit
Schnupfen oder mit einer Krebserkrankung. Man muss es ihm halt einfach glauben.
Merlin Parpaing: Ja, und das machen nicht wenige. Die Behauptung ist wissenschaftlich
nicht bestätigt – aber sie kommt immerhin von einem Arzt.
Zoélie F.: Eben ein Autoritätsargument! Es
ist leicht verständlich, dass dies bei zahlreichen Personen, die nicht Medizin
studiert haben, funktioniert.
Merlin Parpaing: Unter den „Therapeuten“, die sich mehr oder minder von den Theorien
Hamers inspirieren ließen, gibt es auch einige Mediziner.
Zoélie F.: Ja, aber lassen wir das für heute. Ich würde es für gut halten, wenn
Du ein andermal wiederkommst. Dann sollten wir über die unterschiedlichen
Therapieverfahren Hamers und ihre emblematischen
Begriffe sprechen. Nehmen
wir uns aber jetzt das dritte Gesetz vor,
das „Ontogenetischen
System der Krankheiten“.
Merlin Parpaing: Nach Hamer soll die Entwicklung der Krankheit verbunden sein mit dem
embryonalen Beginn der inneren, mittleren und äußeren Zellschichten (endoderme,
mesoderme und ectoderme). Entsprechend dem embryonalen Beginn des Gewebes und dem
Teil des Gehirns, der es beherrscht, sei die aktive Phase des Konflikts durch
eine Zell-Wucherung (zusätzliche Zell-Masse) gekennzeichnet oder auch durch
eine Zerstörung der Gewebe (absterbend oder geschwürbedingend).
Das Kleinhirn beeinflusse
die inneren Gewebe.
Der Gehirnstamm
beeinflusse das Gewebe der mittleren Organe.
Der Cortex beeinflusse die
äußeren Gewebe.
Zoélie F.: Was heißt das?
Merlin Parpaing: Nun, nach Hamer sind alle Organe, die aus dem endodermen Gewebe kommen,
durch das alte Hirnareal bestimmt und haben die Neigung, im Fall eines aktiven
Konflikts ihre Zellen zu vermehren (krebsartiger Tumor). Wenn der Konflikt
gelöst ist, sollen natürliche Mechanismen es erlauben, diesen Tumor aufzulösen
oder unschädlich zu machen. Im Gegensatz hierzu sollen die Organe und Gewebe,
die aus der äußeren (ektodermen) Zellschicht entstanden sind, durch den Kortex
dominiert werden und hätten die Tendenz, sich in der aktiven Phase eines
Konflikts auszuhöhlen oder ein Geschwür zu bilden und sich wieder
zurückzubilden, sobald der Konflikt beendet ist.
Zoélie F.: Mmh! Dieses Gesetz scheint ja geradezu seriös begründet zu sein.
Merlin Parpaing: Ja, es scheint. Alle diese aus der Biologie und der Embryologie
entliehenen Begriffe beeindrucken sehr... Vor allem Leute, die keine ärztliche
Ausbildung haben.
Zoélie F.: Offensichtlich. Dennoch lese ich in einem
Text der medizinischen Fakultät der Universität Montpellier auf
Seite 5, dass die ‚Galactophoren’ -
Bestandteile der Brustdrüse – aus der ektodermen Zellschicht stammen. Dann lese
ich auf Seite 2 dieses Dokuments, dass man unter diesen Galactophoren die
‚ducto-lobulären’ Einheiten findet, die der häufigste Sitz des Brustkrebses
sind.
Merlin Parpaing: Ja, und?
Zoélie F.: Ja, und wenn man Hamer glaubt, müsste man, da ja der Brustkrebs im
Gewebe entstanden ist, das sich aus dem Ektoderm (Außenhaut des menschlichen
Keims) im Stadium eines aktiven Konflikts gebildet hat, ein Aushöhlen, eine
Geschwürbildung des Gewebes beobachten können und schließlich eine
„Rückbildungs-Phase“ nach „Auflösung des Konflikts“. Anders gesagt, die Tumoren
der Brust sollen keineswegs Anzeichen für eine aktive Krankheit sein, sondern
Anzeichen einer Rückkehr zur Normalität auf Grund eines beginnenden
Heilungsprozesses.
Merlin Parpaing: Also, kein Grund, sich zu erschrecken!
Zoélie F.: Demnach entspricht das, was Hamer als einen Prozess der Heilung
beschreibt, dem, was die Medizin als gefährliche Krankheit ansieht. Von Hamer
werden die Kranken ermutigt, Zeichen der Verschlimmerung ihrer Krankheit als
normale Etappen zur Heilung anzusehen. Hamer rät entschieden ab, eine
Chemotherapie zu Hilfe zu nehmen, denn er behauptet, dass diese einen guten
Verlauf der Heilungsphase blockieren würde.
Merlin Parpaing: Ja, und das trübt das Verhältnis zwischen Patienten und der offiziellen
Medizin.
Zoélie F.: Gewiss. Deshalb haben sich Leute, die an fortgeschrittenem Krebs mit heftigen Schmerzen leiden, lange gegen medizinische Behandlung gewehrt. Manche haben sogar ihr Umgebung angefleht, sie
nicht in ein Krankenhaus zu bringen.
Merlin Parpaing: Sicher ist, dass für die Patienten, die Anhänger der Theorien Hamers
sind, die Tatsache genügt, sich auf dem Weg der Heilung zu befinden, um sich den klassischen medizinischen Behandlungen zu verweigern. Kein
Wunder, dass zahlreiche Personen vorzeitig gestorben sind, weil sie den Thesen
Hamers oder eines seiner Schüler vertraut haben. Das kann man ja in einer ersten Reportage einer im belgischen Fernsehen
ausgestrahlten Sendung sehen.
Zoélie F.: Tja, und mit dem Brustkrebs erweist sich das „Gesetz vom System der
Ontogenese von Erkrankungen“ als falsch. Und das, obwohl der Brustkrebs eine
der am weitesten verbreiteten Krebserkrankungen ist.
Das ist doch etwas
bedauerlich, oder?
Merlin Parpaing: Na, Du weißt ja... Das ist bestimmt nicht meine Gechäftsgrundlage.
Aber wenn ich daran denke dass es Mediziner gibt, die das eben genannt „Gesetz“
unterstützen... Ich meine, das muss reichlich lukrativ sein!
Zoélie F.:
Bestimmt! Hamer hat noch ein viertes Gesetz definiert, das „Ontogenetische System der Mikroben“.
Merlin Parpaing: Nach Hamer soll jedes embryonale Keimblatt mit einem Element des Hirns
und einer Kategorie von Mikroorganismen in Verbindung stehen, die dem
Organismus in der Phase der Konfliktlösung (oder der Heilung) beistehen.
So aktivieren sich in der
Phase der Lösung eines vom Kleinhirn ‚verwalteten’ und ein endodermisches
Gewebe bewirkenden Konflikts die Mycobakterien.
Ebenso sollen die Bakterien
in Verbindung stehen mit dem Stammhirn und dem mittleren Keimblatt in der
Embyonalentwicklung (Mesoderm).
Und die Viren seien mit
dem Kortex und der Außenhaut (Ektoderm) des menschlichen Keims verbunden. Um es
zu vereinfachen, zeigen sich die pathogenen Mikroben nur in der Phase der
Konfliktlösung und sollen dem Organismus helfen, die Überbleibsel von Tumoren
zu zerstören und abzustoßen. Nach dieser Theorie ist – aufgrund der angeblichen
Nützlichkeit der Mikroorganismen – von Impfungen
und Antibiotika strengstens abzuraten.
Zoélie F.: Die pathogenen (= krankheitserregenden) Mikroben befreien uns nicht
nur nicht von unseren krebsbedingten Tumoren, sondern sie können sogar
bestimmte Krebserkrankungen auslösen. Im übrigen ist es nicht außergewöhnlich, dass krebserkrankte Patienten durch
einen pathogenen Keim angesteckt wurden, wofür ihr Fieber ein Beleg ist, und dass
sie dennoch erleben müssen, wie ihr Tumor beständig wächst.
Ein französisches Dokument
zeichnet, unterstützt durch Photos, den Weg eines der Hamer-Opfer nach und
beweist, dass ein Tumor sich anstecken kann und sich weiter ausbreitet.
Merlin Parpaing: Einverstanden, aber genügend Menschen kennen die Realitäten des
Krebses zu wenig, um den darauf beruhendenThesen zu vertrauen. Und viele hören
von den Theorien Hamers und sind erst einmal begeistert. Ein anscheinend
wissenschaftlicher Diskurs, gespickt mit biologischen und embryologischen
Begriffen, von einem Arzt vorgetragen und unsere Ängste vor dieser Krankheit
vom Tische wischend... Da möchte man doch gern dran glauben, oder?
Zoélie F.: Das ist tatsächlich ziemlich unwiderstehlich. Betrachten wir nun das
fünfte Gesetz, die „Quintessenz“. Was bedeutet das denn?
Merlin Parpaing: Nach Hamer ist das, was wir gewöhnlich als Krankheit verstehen, als
eine Phase des „SBS“ (gut begründetes biologisches Programm) angesehen werden.
Das „SBS“ soll einen Sinn und eine biologische Notwendigkeit haben.
Zoélie F.: Ich verstehe. Es gäbe also keinen Grund, Angst vor der Krankheit zu
haben, vielmehr sollte man die biologischen Gesetze verstehen und achten. Wie
denkst du darüber?
Merlin Parpaing: Ich stimme dem ‚vollinheitlich’ zu. Wir Scharlatane haben eine
quasi-universelle Regel: Um dem
Patienten möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen, muss man immer die
Gefährlichkeit eines ernsthaften Leidens kleinreden und die Bedeutung einer
gutartigen Krankheit überzeichnen.
Im ersten Fall ist es
unser Ziel, dem Kranken den Besuch kompetenterer Leute auszureden; und im
zweiten Fall geht es darum, sich in ein günstiges Licht zu stellen und sich die
Heilung als seinen Verdienst
zuzuschreiben.
Zoélie F.: Das ist ausgeklügelt, in der Tat. Ein Gedanke treibt mich dabei um:
Die Theorien Hamers bestehen seit mehr als dreißig Jahren. Fragen die Leute
sich nicht, warum kein einziger Fall einer Heilung bekannt wurde, der seiner
Therapie zuzuschreiben wäre?
Merlin Parpaing: Auf diese Art Fragen ist leicht zu entgegnen. Hamer hat immer
behauptet, seine Gesetze seien in ihrer Gültigkeit aufgrund seines Studiums von
Tausenden von medizinischen Dossiers bestens begründet. Er versichert, dass mit
seinen Methoden behandelte Patienten zu 98 % der Fälle gesund werden, er aber
nicht im großen Maßstab experimentieren und seine Erfolge nicht veröffentlichen
konnte, da sie die ökonomischen Interessen einer ganzen Hierarchie gefährden
würden.
Zoélie F.: So ist es! Es ist die Verschwörung,
welche die pharmazeutische Industrie angezettelt hat und die ihn zum Schweigen
zwingt...Der große Klassiker!
Merlin Parpaing: Die Klassiker sind nicht totzukriegen. Um noch einmal auf die 98 %
Heilungen zu kommen: Wahrlich eine gut gewählte Zahl: Diese Rate ist groß
genug, um unter den Kranken und ihren Familien große Hoffnungen zu wecken und
bei jedem Misserfolg sind die Leute überzeugt, Teil der wenigen Unglücklichen aus
den restlichen 2% zu sein.
Zoélie F.: Wenn man die 98 % Erfolg für Hamer mit den angeblichen 2,2% Erfolg der
Chemotherapie – wie es die zahlreichen Verfechter der alternativen
Behandlungsmethoden behaupten – vergleicht...
... das macht Appetit auf
die Vorgehensweise Hamers. Nur hat er seine Prinzipien in einigen „Kliniken“ in
Deutschland, in denen er als Arzt tätig war, eingesetzt... die Resultate waren
keineswegs brillant. Sogar eher dramatisch.
Merlin Parpaing: Ja, die Ergebnisse waren betrüblich, und die Patienten starben unter heftigsten Schmerzen, ohne irgendeine
schmerzlindernde Behandlung erfahren zu haben.
Und man kennt keinen Kranken, der in einer der Kliniken von Hamer
Heilung gefunden hätte. Deshalb enthalten sich Hamer und seine Schüler damit
zurück, über ihre Horror-Kliniken zu sprechen.
Zoélie F.: Äußerst verständlich!
Nachtrag:
Orte, in denen Hamer eine Klinik unterhielt:
·
Bad Krozingen
(bei Freiburg im Breisgau – Deutschland)
·
Guyhum (bei
Bremen – Deutschland)
·
Katzenelnbogen
(bei Koblenz – Deutschland)
·
Burgau (bei
Graz – Österreich)
Schließlich ging er nach
Norwegen.
In Anbetracht dieser
verstreuten Wirkungsbereiche hat man wohl nicht den Eindruck, dass es sich bei
ihm um einen Arzt handelt, der seine Patienten therapeutisch begleitet, sondern
eher um die Irrwege eines vagabundierenden Banditen.
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